Stahr Treasury 
Listen I Focus I Solve

Hohe Effizienzsteigerung und erhebliche Kosteneinsparungen mit multilateralem Netting

Projekt: Einführung eines Multilateral Netting im Maschinenbau I Aufbau Best Practice Treasury Standards I Erstellung einer umfassenden Treasury Policy

Tags:  | Erhebliche Kostensenkung I Zahlungsdisziplin I Liquiditätsoptimierung I Bilanzverkürzung I Einheitlicher Abrechnungsprozess I Zentrale Rechnungsverwaltung


Das Treasury zieht nach

Bild von Nicolas Hoizey aus Unsplash

Die Auftraggeberin, ein Schweizer Maschinenbaukonzern mit rund CHF 1 Mrd Umsatz, legt ein beeindruckendes operatives Tempo vor. Treasury Prozesse und Treasury IT wird immer zentraler in der finanziellen Effizienz und Sicherheit. So wurde das Potential des bestehenden Treasury Systems "Coupa" mit der Einführung eines maximal effizienten Multilateral Netting genutzt. Mit auf dem Weg lagen entscheidende Verbesserungen an der Basis eines Group Treasury. So wurde gleichzeitig eine Inventarisierung aller bisher dezentral geführten Bankbeziehungen durchgeführt und nach einer Analyse der Daten entscheidende Verbesserungen in der Sicherheit und den Bankkosten umgesetzt. Ebenso konnte ein auf ISDA -Standard basierender und alle Fragen beantwortender Finanzvertrag mit allen Gesellschaften des Konzerns eingeführt werden. Dieser legt auch den Grundstein für künftige Erweiterungen wie bspw. Cross-Border Cash Pooling und grundsätzliche Standards bei gegenseitigen finanziellen Vereinbarungen aller Art.


Netting verringert Zahlungsvolumen um über 90% und senkt die Kosten enorm

 29 Tochtergesellschaften von Ost-West Yokohama bis Sao Paulo sowie Nord-Süd Stockholm bis Johannesburg generieren ein jährliches internes Zahlungsvolumen von mehreren hundert Millionen CHF mit Einzelrechnungen im zweistelligen Tausenderbereich pro Jahr. Dieses Volumen konnte um 93% verringert und die Anzahl Zahlungen auf unter 100 pro Jahr reduziert werden. Das führte zu einer enormen Effizienzsteigerung und resultiert pro Jahr mit einem oberen 6-stelligen Betrag weniger Kosten. Dabei wurde keine Person mehr eingestellt oder neue Systeme angeschafft.

Die Kosteneinsparungen ergaben sich aus

  • der drastischen Senkung der Anzahl Zahlungsaufträge und damit Wegfall von Zahlungs-verkehrskosten;
  • keinen teuren Umtausch mehr von kleineren und grösseren Einzelbeträgen in insgesamt 16 Währungen;
  • Reduzierung der Arbeitslast um 70% für alle internen Rechnungen, was mehreren tau-send Stunden entspricht.

Möglich wurde das, indem die internen Rechnungen einmal pro Monat mit einem File-Upload von den lokalen ERP in das Treasury Management System «Coupa» überspielt werden.


Grundsatzfragen

Bei diesem Projekt schaute ich zuerst nach der Gesamtheit der bestehenden Treasury Landschaft an. D.h., welche Prozesse sind vorhanden, in welchen Ländern wird operiert, wo liegen wie viele Mittel in der Bilanz und wo dort (Bank / Forderungen IC / Forderungen Dritte / Finanzanlagen / Verpflichtungen IC / Verpflichtungen Dritte / Finanzverpflichtungen), welche IT-Systeme sind wo für was im Einsatz.

Dieses Vorgehen ist essenziell, um der Grundstrategie der Einführung eines neuen Prozesses die nötige Berechtigung zu geben. Im konkreten Fall stellte sich die Frage, ob es evtl. nicht besser wäre, anstatt multilateralem Netting resp. bilateralem Netting direkt den Ansatz einer Inhouse-Bank zu gehen. Oder ob nicht für die Hauptwährungen ein Cross-Border Cash Pooling ebenso nützlich wäre.

Die Antwort zu dieser Frage lautete, dass zuerst in einem Netting alle bisherigen eingefrorenen flüssigen Mittel auf den IC-Kreditorenkonten freigesetzt werden, was für sich alleine schon eine erhebliche Reduzierung des Gruppen FX-Risikos bedeutet und vor allem, eine erhebliche Reduzierung der Bilanzsumme, was wiederum zu deutlich besseren Kennzahlen führt. Beispiel Eigenkapitalquote: je höher die Bilanzsumme, desto geringer die EK-Quote. Ganz zu schweigen von der gebundenen Liquidität, welche sich statt bei den Töchtern in Form von nicht bezahlten IC-Kreditoren in multilateralem Netting dann am Ende bei der Konzernmutter konzentriert.

Ebenso auch Cash Pooling, doch zuerst soll in einer durchdachten Treasury Strategie die Bilanz bereinigt und erst dann der Rest der Liquidität in dieser Effizienzmassnahme am Konzernhauptsitz konzentriert werden.

Evaluierung der Projekt-Rentabilität und der Projekt-Umsetzbarkeit

Bild von Peter Schad aus Unsplash

 Damit die Risiken von hohen Projektkosten vermieden werden und auch, um herauszufinden, was überhaupt möglich ist in der bestehenden Konzernstruktur, wurde ein ein Vorprojekt durchgeführt. In diesem Vorprojekt, welches sorgfältig während 2,5 Monaten mit allen nach Best Prac-tice üblichen Projektberichten, Projektcontrolling und Risikoberechnungen ausgestattet wurde, konnte ich mit einer hohen Wahrscheinlichkeit die zu erwarteten Netto-Gewinne kalkulieren. Darüber hinaus wurde die Einführung von Multilateral-Netting in einen ersten Teil mit «Low-Hanging-Fruits» sowie in einen zweiten Teil für schwierigere Länder segmentiert. Diese Phase zwei sollte dann innerhalb eines Jahres mit sorgfältigen regulatorischen Abklärungen einem bilateralen Netting mit eingebunden werden.

Phasenweise Umsetzung

Wie die meisten global agierenden Konzerne hat auch mein Auftraggeber Tochtergesellschaften in den verschiedensten Ländern. Was dieses Netting Projekt betrifft, segmentierte ich die Ländergesellschaften in folgender Matrix:

 

Kategorie

Free FX

Multilateral Netting

Gross Netting

Bilateral Netting

A

Ja

Ja

Ja

Ja

B

Nein

Ja

Ja

Ja

C

Nein

Nein

Ja

Ja

D

Nein

Nein

Nein

Ja


Länder der Kategorie A können sofort umgesetzt werden. Es braucht dafür lediglich einen internen Vertrag. Alle anderen Kategorien nehmen zwar ebenfalls teil an der monatlichen Gesamtabstimmung, was für sich alleine schon sehr viele Vorteile bringt. Diese Länder der Kategorien B bis D benötigen zur Ausführung der Nettingzahlungen jedoch ein individuelles Setup. Das Phase II Teilprojekt wird aufzeigen, wie weit es sich lohnt, die jeweiligen Länder separat für die Zahlun-gen in diesem Schlussprozess einzubinden.

Eine gute Vorbereitung ist der Schlüssel zum Projekterfolg

Das Vorprojekt mit der Detailauswertung dauerte 40 Tage. Aber die waren es Wert!  Sogar die erste Grobschätzung wurde bei weitem übertroffen hat mit einer Internal Rate of Return > 200% (d.h. die gesamten Projektkosten sind bereits nach einem halben Jahr amortisiert), wurden die Initialschritte zur Projektumsetzung genau geplant.

Es benötigte Rahmendaten von jeder Tochtergesellschaft. Deshalb erweiterten wir die Abfrage mit weiteren Daten gleich mit in das übersichtliche Excel-Fragebogenformular ein.  So z.B. welche Konten bei welchen Banken bestehen und welche Autorisierungsmethode für  diese Konten vorliegt. Nebst diesen Nebenfragen, welche sich dann als sehr nützlich ihn der weiteren Verar-beitung herausstellten, wurden die individuell zu parametrisierenden Stammdaten abgefragt. Das gut strukturierte Formular hatte dann auch eine gute Rücklaufquote innerhalb der gesetzten Zeit.

Nebst diesen Abfragen wurden weitere Workstreams aufgesetzt in der Projektorganisation: IT, Compliance/Legal, Accounting, Trainings, Tests. Die Teilnehmer wurden zeitnah in das Boot geholt und eine Gesamtmannschaft mit positivem Drive aufgestellt. Die Risiken und Hürden des Projekts wurden in jeweiligen Teams qualifiziert und in einem Projekttracking-Tool erfasst. Am Ende der Vorbereitung stand eine übersichtliche Roadmap, welche keine Antwort mehr schuldig blieb.

 

Full-Netting vs. Virtual-Netting, Setup der Systeme, Tests

Es galt nun, das Treasury System «Coupa» mit den oben erwähnten Daten aus dem Fragebogen sowie den einzelnen Parametern zu füttern. So wurden zuerst zwei Netting-Kategorien aufgesetzt: eine mit realem «Full-Netting», in welchen nach der internen Abstimmung und Verrechnung das Resultat auch physisch von der Konzerngesellschaft an das Netting-Center resp. vice versa bezahlt wird und ein rechnerisches «Virtual-Netting». Dieses beinhaltet die gleichen Schritte, wie das Full-Netting, jedoch ohne physische Zahlung an resp. vom Corporate Netting Center. Stattdessen werden diese Zahlungen, je nach spezifischen regulatorischen Anforderungen in den verschiedenen Ländern, bilateral / brutto / netto / teil-netto bezahlt.

Wie schon oben erwähnt, bringt auch schon die Standardisierung vor der eigentlichen Zahlung für Länder wie China, Süd-Korea, Südafrika, Brasilien oder Indien grosse quantitative und qualitative Vorteile, so dass diese Länder ebenfalls vom Tag 1 an mit dabei waren.

Im Weiteren wurde dann die Settlement-Currency hinterlegt, welche der funktionalen Währung entspricht (was nicht gleich der lokalen Währung sein muss), ebenso wie das Standard-Bankkonto pro Gesellschaft (nur noch eines pro Gesellschaft!). Auch wurden die vielfältigen Beziehungsstrukturen in einem Mapping hinterlegt. Nebst weiteren Parametern wurde auch das zentrale Steuerelement aufgesetzt: der Abgleichkalender und der Nettingkalender. Diese beiden Kalender steuern den gesamten Abgleich- und Verrechnungsprozess.

Als der Prozess im Treasury System parametrisiert war, folgten ausführliche Tests in einem separaten Testsystem mit Soll-Ist Vergleich. Hier offenbarten sich kleine Details, welche dann noch adjustiert wurden.

Essenziell: die Schulung aller Beteiligten vor dem Startschuss

 Ein Sprichwort sagt: jede Kette ist nur so stark, wie ihr schwächstes Glied. Diesem Grundsatz folgend, setzte ich eine ausführliches Trainingsprogramm auf. Angefangen von einem Briefing bereits in der Vorumsetzungsphase, wo alle rund 100 Beteiligten in drei den Zeitzonen ange-passten MS-Teams Meetings grundsätzlich darüber informiert wurden, um was es geht und was auf sie wann zukommt. Es wurden also drei Training-Workstreams erstellt: APAC/ME, Euro-pa/Afrika, Nord/Südamerika.

Der wesentliche Arbeitskatalog wurde sorgfältig in Form einer umfassenden und genauen Netting Working Instruction nach internen Corporate Standards erstellt. Beim Abschluss des Projekts wurde dieser essenzielle Leitfaden fester Bestandteil der Group Policies.

Es folgte pro Workstream eine detaillierte Gruppenschulung in MS-Teams. Erfahrungsgemäss reicht eine Gruppenschulung nicht aus; schon gar nicht für einen vollkommen neuen Prozess. Deshalb wurde während der dann folgenden zwei Wochen mit jeder einzelnen Ländergesell-schaft ein dezidiertes Einzeltraining absolviert. Die Response in diesen Einzelschulungen war um ein Vielfaches grösser, als in der ersten Gruppenschulung.

Wenige Tage vor dem geplanten Go-Live wurde das Projekt-Steuerungskommittee einberufen, welches dann mit grosser Zufriedenheit über den reibungslosen Verlauf des Projekts und der zu erwartenden namhaften Vorteile die finale Zustimmung zum Start gegeben hat. Gleichentags wurde allen rund 100 Beteiligten bestätigt, was bereits vorher ausführlich geschult wurde.

Wichtige Nebenziele, Treasury Policy

Im Zuge des neuen zentralen internen Verrechnungsprozesses wurden auch einige äusserst wichtige Verträge und Policies eingeführt resp. auf den Weg gebracht. So wurde ein umfassendes Finanzregelwerk eingeführt, welches alle Fragen klärt, die einen Bezug zu finanziellen Verpflichtungen haben, zu Zahlungsverzug, Zahlungsabwicklung usw. Dieses Regelwerk basiert auf weltweit anerkannten ISDA Standards. Dieses wichtige Basisvertragswerk für jeden Konzern ist fester Bestandteil unserer Treasury Policy Vorlage.

Die bestehende Treasury Policy wurde grundlegend überarbeitet und einem Top-Standard angepasst, welcher keine Fragen mehr offen lässt. Diese Policy wurde dann Zug um Zug ausserhalb des Netting-Projekts eingeführt. Teile der Treasury Policy, welche sofort umgesetzt werden sollten, so die Netting-Vereinbarung aller Teilnehmer, wurde als Teilpublikation bereits vorher eingeführt.

Ziel erreicht, Lessons learned

Der erste Nettinglauf verlief dank der genauen Vorbereitung und ausführlichen Schulung wie erwartetet gut bis sogar über den Erwartungen. Es wurden auf einen Schlag z.T. jahrelang nicht beglichene Forderungen bezahlt. Gesellschaften, welche nicht genügend Liquidität hatten, um die grossen kumulierten Kreditorenbestände auf einmal zu bezahlen, erhielten ein internes Darlehen der operative Konzernmutter, welche gleichzeitig das Netting-Center ist.

Damit wurden sämtliche Bilanzen an einem einzigen Tag z.T. erheblich verkleinert, eine hohe Abschöpfung der Liquidität in den verschiedenen Ländern fand statt, die unerwünschte Gratis-Finanzierung über die Kreditoren hörte auf und das alles mit gerade einmal mit einem Dutzend Zahlungen. Darüber hinaus konnten länderübergreifende Verständnisunterschiede der Buchungspraxis geklärt werden und jahrelang nicht geklärte Fälle von Differenzen wurden grösstenteils bereinigt.

Im Anschluss wurden dann die noch vereinzelt aufgetretenen kleineren Stolpersteine benannt und in einer «Lessons Learned» Mitteilung geklärt.


Das Projekt in Stichworten

    Mission

  • Objective: Einführung eines Standard Multilateral Netting Prozesses
  • Grund dafür: die Anzahl interner Rechnungen erreichte eine vierstellige Anzahl pro Monat, was erheblichen Aufwand in der Abstimmung mit sich brachte und zu hohen Abwick-lungskosten führte.
  • Strategic Fit: Operational Excellence, Anpassung der administrativen Ressourcen und Kosten für weiteres operatives Wachstum

    Quantitative Benefits

  • Erheblich weniger Zahlungsverkehrkosten
  • Reduziertes FX Risiko
  • Reduzierte FX Kosten

  • Qualitative Benefits

  • Besseres Liquidity Management
  • Vereinfachter Abstimmungsprozess
  • Minimierung Counterparty Risiko
  • Bessere Zahlungsdisziplin, dadurch weniger Liquiditätsprobleme, transparente Finanzierung, sichtbar werdende Überschuldungsprobleme, bessere Liquiditätsplanung
  • Besser Aktzeptanz der IC-Rechnungen, dadurch einfachere Bearbeitung, zentrale Koordination und Kontrolle, schnellere Abläufe
  • Optimierung der Liquidität auf Gruppenstufe aufgrund Freisetzung von nicht bezahlten Schulden und Reduzierung von unnötig "totem" Kapital
  • Deutlich geringere Risiken aufgrund weniger Zahlungen
  • Bessere Compliance mit Konzernreporting
  • Deutlich  verbesserte strategische Planung und Vorausschau
  • Erheblich besseres Working Capital Management


Mit Group Netting werden die Finanzprozesse in einem Konzern mit wenig Aufwand erheblich verbessert. Group Netting sollte eine der ersten Optimierungsmassnahmen sein, wenn es um die Professionalisierung der Treasury Aufgaben geht.


 

 
E-Mail
Anruf
LinkedIn